Ein kurzes NachSinnen über ...

… Bücher, mit denen man lebt

Es gibt Bücher, die man gerne liest, aber bald wieder vergessen hat; es gibt Bücher, die man liebt und deren Inhalt man nicht so schnell vergisst, und es gibt Bücher,  - leider eher selten - mit denen man zu leben beginnt. 

 

In letztere Kategorie fiel zumindest für mich das Buch der aus Georgien stammenden Theaterregisseurin, Dramatikerin und Romanautorin Nino Haratischwili „Acht Leben. Für Brilka“. Allein der Umfang von über 1000 Seiten ist ungewöhnlich – und diese Lektüre wiegt im wörtlichen wie übertragenen Sinn schwer, obwohl sie dank einer wundervollen Sprache und einer ebenso komplexen wie emotional und tiefsinnig nachempfundenen Familiensaga über sechs Generationen hinweg extrem leicht fällt.

Diesen Roman zu lesen, ihn Seite für Seite mitzuerleben, bereitet dem Leser großes Glück, berührt und bildet. Er macht die Identifikation mit den außergewöhnlichen Frauenfiguren wie Stasia, Kitty, Christine, Niza oder Elene  und ihren Schicksalen zu einer lange nachklingenden Begegnung. Zeitgeschichte wird hier plausibel, politische Macht, korrupte Systeme und der damit verbundene Terror, die unfassbaren Auswirkungen und die Entrinnbarkeit, der die darin verstrickten Personen und Persönlichkeiten erliegen, wird atemberaubend, bildhaft, filmisch fast erzählt und begreifbar. 

 

Meine Freundin hatte dieses Buch dabei, als sie mit mir im vergangenen Sommer eine Woche in Sardinien verbrachte. Dass es etwas Besonderes sein musste, merkte ich daran, dass sie es eigentlich nur dann aus der Hand legte, wenn Frühstück, das wunderbare Meer oder der Sonnenuntergang auf der Ferienhausterrasse samt Abendcocktail sie abzulenken vermochten. Den Rest der Zeit widmete sie völlig versunken und offensichtlich fasziniert diesem Roman. Kein Wunder also, dass ich schnell darum bat, es mir nach beendeter Lektüre doch bitte auszuleihen. 

 

Jetzt habe ich das Buch zu Ende gelesen. Und nachdem ich es wieder in den Schutzumschlag zurückgesteckt habe, machte ich etwas, was ich soweit ich mich erinnere, noch nie zuvor tat: ich schickte einen stummen Dank nach oben in den Himmel, der eine solch großartige Autorin  und ein so intensives Buch ermöglicht hat!